Wie viel Schmerz kann man ertragen?

Wenn dein Herz bricht....

Unser Wunsch war ein Geschwisterchen für unsere 20 Monate alte Tochter.
Wir wollten keinen zu großen Abstand zwischen den Kindern dass sie miteinander aufwachsen können.

Dann die freudige Botschaft, schon nach dem ersten Versuch durfte ich einen positiven Test in den Händen halten...

Ich konnte mein Glück nicht fassen.
Ein zweites Wunder war unterwegs.
Ich machte natürlich gleich alle nötigen Termine aus, um wie bei meiner ersten Schwangerschaft sorglose Betreuung zu gewährleisten.

Freude und Leid liegen so nah beisammen...

Ich war jetzt eine Woche schwanger, durch einen Frühtest hatte ich schnell die Gewissheit, jetzt müsste auch meine Periode ausbleiben.
Warum sollte etwas schief gehen? Bei unserer Maus war doch auch alles bestens...
Ich war absolut positiv gestimmt bis mich die Realität eingeholt hatte...
Meine Periode setzte nach Plan ein und meine Hoffnung dahin.
Meine HCG Werte waren laut Blutentnahme schon gesunken und der Körper hatte alles selbst geregelt.

Fast jede Frau muss solch eine Erfahrung machen...

Meine Ärztin baute mich auf, so viele Frauen müssen diese schmerzhafte Erfahrung erleiden, den Verlust verarbeiten und neue Hoffnung schöpfen.

Ich war traurig, ich habe viel geweint...
Aber ich hatte Hoffnung da es ja so oft vorkommt und viele Frauen es gar nicht bemerken wenn sie keinen Frühtest machen.

Das nächste Mal klappt es bestimmt, da ich ja einen natürlichen Abgang hatte und die Schwangerschaft noch nicht weit vortgeschritten war konnten wir im nächsten Zyklus gleich wieder starten wenn wir uns bereit dazu fühlten.

Auf ein Neues...die Hoffnung stirbt zuletzt...!

Zum Glück stand erstmal unser Sommerurlaub auf dem Programm.
Ich hatte unseren Verlust noch im Kopf, war aber voller Freude auf das was kommt.
Wir hatten einen tollen Urlaub, konnten alles hinter uns lassen und hatten uns entschieden es gleich nochmal zu versuchen.
Wenn wir wieder zuhause sind müsste eigentlich meine Periode wieder kommen oder eben ausbleiben.

Ja ja ja...

Und tatsächlich, nach ausbleiben meiner Periode habe ich wieder positiv getestet.
Wir konnten unser Glück kaum fassen.
Es hat wieder geklappt und jetzt geht alles gut, die Chance war gering nocheinmal einen Abgang zu haben wenn man bereits ein gesundes Kind ausgetragen hat.
Natürlich war ich trotzdem tierisch nervös, das lässt sich nach so einem Erlebnis leider nicht vermeiden.

Wieder leitete ich alle Termine ein.
Es ging mir gut, ich freute mich über alle Anzeichen einer Schwangerschaft, meine unreine Haut, der spannende Bauch und und und...

Erster Termin beim Frauenarzt!

Da war er endlich der erste Termin.
Es ist nicht üblich einen Ultraschall in den frühen Wochen zu machen, allerdings bestand ich darauf nach dem vergangenen Erlebnis um mir ein bisschen Sicherheit zu verschaffen.

Und da war es mein Baby... es war an Ort und Stelle wo es sein sollte, das Herzchen hat schon richtig kräftig geschlagen.
Die Ärztin stockte, es sind zwei!
Da war plötzlich noch ein kleines Würmchen.
Ich war total geplättet... konnte das sein, nach der schlimmen Erfahrung die wir machen mussten ein solches Glück zu erfahren.

Bei dem kleineren war noch keine Herzaktion darstellbar, was nichts ungewöhnliches ist, da in dieser frühen Entwicklung Tage viel neues schaffen, zu diesem Zeitpunkt war ich am Ende der 6ssw.
In zwei Wochen nochmal zur Kontrolle meinte die Ärztin, dann wissen wir mehr.


Zwei Wochen können sich wie Jahre anfühlen...

Gefühlt vergingen diese zwei Wochen so gar nicht.
Jeden Tag hab ich über unser neues Leben philosophiert, wie geht es weiter wenn wir plötzlich drei Kinder haben.
Schaffe ich das?
Was machen wir wenn es der kleine Keks nicht schafft und es nur eines ist?
Fragen über Fragen...Klarheit kann nur der nächste Termin bringen.


Dann begann der Albtraum...

Da war er nun der Tag der Tage...
Da meine Ärztin im Urlaub ist musste ich zur Vertretung!
Freudestrahlend kreuzte ich in der Praxis auf um zu erfahren wie viele Babys denn jetzt in meinem Bauch sind und auf was wir uns einstellen können.

Sie begann mit dem Ultraschall, ich sah es auf dem Bildschirm, da waren meine beiden Mäuse...
Erwartungsvoll wartete ich auf eine Antwort der Ärztin...
Aber sie sagte nichts...
Sie vergrößerte den Bildschirm, und ich sah den größeren Zwerg von den beiden...
Dort wo das letzte Mal so kräftig das Herzlein gepochert hat war plötzlich stille... es tat sich nichts!
Auch das zweite Baby war ohne jegliche Regung.

Sie waren größer geworden, aber nicht so groß wie man sie für die 8ssw erwartet hätte.

Ich dachte meine Herz bleibt stehen...
Das kann doch nicht sein, das muss ein Irrtum sein.
Sie bestätigte mir dass es keine Aktion mehr von den Babys gibt.
Es war vorbei... schon wieder!
Mir zog es den Boden unter den Füßen weg.


Wie kann ich das verkraften...?

Wie ferngesteuert ging ich zum Auto, die Überweisung fürs Krankenhaus in der Hand.
Wie sag ich es meinem Mann der zuhause wie auf Kohlen sitzt um wie viele Persönchen unsere Familie wohl wachsen wird.

Die neugierigen Verwandten die wissen wollen wie mein Termin heute lief...

Ich konnte nichtmal weinen, ich war wie erstarrt...
Mein Herz brach erneut in 1000 Teile und ich konnte es überhaupt nicht realisieren was eben passiert ist.

Zuhause angekommen fiel ich meinem Mann in die Arme, die Tränen liefen ohne Ende und ich versuchte ihm zu erklären dass unsere Babys tot sind und ich noch heute ins Krankenhaus muss.
Er war getroffen und Fassungslos... wir hielten uns Minutenlang in den Armen, unsere Tochter spielte allein für sich und gab uns diesen Moment.
Es war wie in einem schlechten Film... 

Ich packte ein paar Dinge zusammen und ging in die Klinik.
Ein paar Stunden Wartezeit weiter war ich dran, vielleicht hatte sich die Ärztin ja doch geirrt...

Erneut wurde ich untersucht, leider mit keinem anderen Ergebnis.
Die Schwangerschaft war nicht intakt und muss abgebrochen werden.

Es folgte ein Berg an Zetteln und Einverständniserklärungen für den geplanten Eingriff der am nächsten Tag ambulant durchgeführt werden soll.
Langsam kam es in meinem Kopf an, die Traurigkeit stieg ins unermessliche...
Ich hatte meine Babys doch schon gesehen, es war so schrecklich dass ich kein geeignetes Wort dafür finde.


Der Tag des endgültigen Endes...

Heute war es also soweit.
Meine Babys im Bauch werden mir weggenommen, ich werde in ein paar Stunden plötzlich nicht mehr schwanger sein.
Es ist alles vorbei, unser großer Traum vom Glück.

Es folgte eine weitere Untersuchung, in der wir erfuhren dass es sich wohl um eine besondere Zwillingsart handelt.
Das hilft uns jetz leider auch nicht weiter, ich wollte es einfach nur schnell hinter mich bringen.

Da ich keine Anzeichen eines Abganges hatte wie Blutungen ect musste ich erst etwas bekommen dass sich mein Muttermund öffnet und der Körper beginnt die Babys abzustoßen.
Man sagte mir dass sei die schonendste Variante, da bei einer mechanischen Öffnung des Muttermunds es zu Folgeschäden für weitere Schwangerschaften kommen kann.
Das Mittel sollte wohl nach 3-4 Stunden wirken und dann könne es losgehen.

Ich bekam ein Zimmer, und nach ca 1 Std fing es an leicht zu ziehen wie wenn man seine Periode bekommt.
Nach drei Std waren es dann ziemlich heftige Schmerzen.
Es waren Wehen ohne Pause, nun setzten auch die Blutungen ein.
Jetzt war es also soweit, ich musste Abscheid nehmen.
Ich sprach in Gedanken zu meinen beiden Babys.
Ich war stolz auf sie, und hätte ihnen gerne die Welt gezeigt. Ich verabschiedete mich und versprach ihnen sie niemals zu vergessen.

Ich bekam etwas gegen die Schmerzen und wurde für die OP vorbereitet.
Nun ging es los, ich verabschiedete mich von meinem Mann der mich jede Sekunde unterstützte, meine Tränen trocknete und mir Halt gab.
Ich fuhr den Gang entlang und zählte die Lichter...
Ich meinte zu der Schwester die mich geschoben hatte „diese beiden Babys hätten unser Glück perfekt gemacht“... sie lächtelte und sagte „perfekt ist doch auch irgendwann langweilig“...
Ob mir diese Aussage jetzt so wirklich viel weitergeholfen hat wage ich zu bezweifeln.
Plötzlich wurde es frisch, wir waren im Op, die letzten Vorbereitungen liefen und ich bin ruhig eingeschlafen.

Eine Stunde später war ich schon wieder wach.
Es ging alles gut, trotz meiner Kaiserschnittnarbe.
Ich spürte gleich den Schmerz im Unterleib, es waren richtige Krämpfe.
Sie gaben mir nach der OP ein Mittel das diese Nachwehen auslösen sollte dass sich die Gebärmutter wieder zusammenzieht.

Ich bekam gleich Schmerzmedikamente und döste leicht ein.
Ich fühlte mich OK, trotz der Traurigkeit die ich in meinem Herzen hatte war ich erstmal froh es geschafft zu haben.

Nach einer weiteren Stunde kam ich auf mein Zimmer, mein Mann schaute in der Zwischenzeit mal Zuhause nach dem rechten wo unsere Prinzessin mit Oma und Opa einen tollen Tag erlebte.

Er hatte schon auf den Anruf gewartet und war innerhalb weniger Minuten da.
Es war schön ihn zu sehen, wir hatten diese Hürde gemeinsam genommen.
Ohne Ihn hätte ich das nicht so gut geschafft.
Ich wollte einfach nur noch heim.
In meine gewohnte Umgebung, zu meiner Mama, zu meiner Tochter...

Um ca 21 Uhr durfte ich meine Sachen packen und nach Hause...

Unsere besonderen Zwillinge...

Mono-Mono Zwillinge

Als ich meine Entlassungsunterlagen bekam erklärte uns die Ärztin nocheinmal genau was die Besonderheit bei unseren Zwillingen war und warum es gerade bei ihnen fast immer zu Komplikationen kommt.

Es gibt ja verscheidene Arten von Zwillingen, 
Man kennt die Eineiigen und Zweieiigen...
Mehr wusste ich bis dato auch nicht.

Doch gibt es bei eineiigen Zwillingen noch Unterschiede.
Es kommt darauf an wann sich die Zelle teilt.
Bei einer normalen Teilung bestehen zwei identische Anlagen.
Die beiden sitzen in einer Fruchthöle, sind aber durch ein Häutchen getrennt.
Jedes Kind hat seine eigene Plazenta über die es versorgt wird.

Der Unterschied zu Monos besteht darin dass es keine Trennwand gibt und die beiden sich eine Plazenta teilen müssen.
Sie haben z.b einen gemeinsamen Blutkreislauf bei dem es oftmals dazu kommen kann dass sich das eine Baby alles nimmt und das andere unterversorgt wird.
Die Nabelschnüre können sich verknoten was zu einem Versorungsabbruch der beiden führen kann.
Eine Schwangerschaft mit Mono-Mono Zwillingen ist eine sehr risikobehaftete Schwangerschaft bei der man immer damit rechnen muss dass etwas passiert.
Man gibt den Kindern eine 50/50 Chance zu überleben.
Natürlich gibt es Fälle in denen alles gut geht und die Kinder meist in der 32ssw zur Welt kommen.
Weniger als 1% aller eineiigen Zwillingen sind Mono Zwillinge.
Und unsere beiden waren genau so ein Zwillingspaar das es leider schon im frühen Stadium nicht geschafft hatte mit den Gegebenheiten zu leben.
Ich bin so stolz auf die beiden.


Macht es die Antwort auf ein „Warum“ leichter?

Dadurch dass wir eine Ursache hatten warum es so kam wie es leztendlich kam macht es irgendwie ein bisschen erträglicher damit umzugehen.
Ich kann nichts dafür, der erste Abgang steht in keinem Zusammengang mit dem was jetzt passiert ist.
Einen sehr unglückliche Reihung an Ereignissen oder wie ich es nenne wir hatten einfach riesiges Pech.

Aber die Gewissheit dass ich nichts dafür kann, oder mein Körper nicht dafür verantwortlich ist dass es die beiden nicht geschafft haben macht es erträglich.
Und ich kann hoffnungsvoll in die Zukunft blicken ohne Angst dass wieder etwas so schlimmes passiert.

Die Hoffnung stirbt zuletzt...
Man muss an all den schlimmen Dingen die man erfährt und ertragen muss etwas positives finden.
Auch wenn mein Herz schwer wie blei ist, ich bei dem Gedanken daran meine Tränen unterdrücken muss und es einfach nur verdammt weh tut bin ich mir sicher dass wir irgendwann nocheinmal Glück haben werden.
Ich nocheinmal Mama werde und unsere Prinzessin die beste groß Schwester wird die man sich nur wünschen kann.

Meine Familie, meine Tochter geben mir die Kraft die ich brauche um das durchzustehen.
Allen Frauen die so etwas durchleben müssen wünsche ich solch Unterstützung und Kraft.
Ihr könnt mich gerne darauf ansprechen wenn ihr etwas zu dem Thema erfahren wollt oder mir eure Geschichte erzählen.

Danke für eure Unterstützung.

Wie kommt man darüber hinweg?

Heute ist es Montag, der erste Tag nach dem schrecklichen Wochenende.
Der Trubel hat nachgelassen, alle müssen wieder arbeiten und ich bin mit unserer Prinzessin allein Zuhause.
Es ist schwer die Fassung zu bewahren.
Man würde gerne seinen Tränen freien lauf lassen, aber ich möchte nicht dass meine Tochter von all dem etwas mitbekommt.
Ich hab ihr erklärt dass Mama am Wochenende beim Doctor war weil die Babys krank waren, dass sie nicht mehr in Mamas Bauch wohnen sondern im Himmel.
Sie hat es mir nachgesprochen, aber wirklich verstanden natürlich nicht.
Es ist plötzlich alles anders, mein Körper fühlt sich leer an, meine Gedanken kreisen ununterbrochen um das „warum wir“... 
Ich hab dss Gefühl ich falle, ich kann nicht darüber sprechen, ich kann es nur schreiben, ich würde so gerne raus aus meiner Haut, aber ich schaff es nicht..
Am liebsten würde ich mich verkriechen, in einem dunklen Raum, wo ich nur für mich allein sein kann....
Würde mir das helfen?
Ich weiss es nicht.
Die geklärte Antwort auf das „Warum“ war nur eine kurze Hilfe.
Der Schmerz des Verlusts überwiegt.
Ich bin gerade an einem Punkt an dem ich nicht wirklich weiss wie ich diesen Schmerz aushalten, verkraften oder verarbeiten  soll...

Vielleicht habt ihr ähnliches erlebt und könnt mir helfen wir ihr diesen Weg gemeistert habt.

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Aline (Mittwoch, 01 August 2018 12:36)

    Meine liebe,
    es tut mir unendlich leid! Auch mir fehlen die Worte. Zweimal durften wir hoffen und zweimal wurden wir von der Realität eingeholt. Es bleibt ein „Warum?“, doch eine wirkliche Antwort finden wir darauf nicht. Du hast deinen Artikel großartig geschrieben und davor ziehe ich meinen Hut. So offen damit umzugehen. Du beschäftigst dich damit und verarbeitest es, so wie es richtig ist um eine neue Geschichte zu schreiben! Dann aber mit HAPPY END! Ich drück dich ganz lieb, Aline (allysfashionlifestyle_)